Nachdem sich Irmgard Keun während des 2. Weltkrieges illegal in
Deutschland versteckt halten konnte, lebte sie nach dem Krieg mit ihren Eltern
in der Eupener Strasse 19 im Souterrain ihres teilweise zerstörten
Elternhauses; in den folgenden Jahren steckte sie viel Geld in den
Wiederaufbau dieses Hauses (später wurde sie dann von einem Architekten
betrogen, dem sie vertraut hatte, und verkaufte das Haus). In der
Nachkriegszeit fand sie Unterstützung durch Arnold Strauss und Hermann
Kesten, die ihr Carepakete schickten, und durch Alfred Döblin, mit dem sie
regelmässig korrespondierte. Ausserdem sendete der damalige NWDR erfolgreich
ihre kabarettistischen Szenen vom deutschen Unternehmerehepaar Wolfgang und
Agathe, und sie schrieb einen neuen und zugleich ihren letzten Roman
"Ferdinand, der Mann mit dem freundlichen Herzen", die Geschichte eines
Heimkehrers. Aber trotz ihres beruflichen Wiedereinstieges konnte sie sich in
der Nachkriegsgesellschaft nicht mehr zurecht finden und den Krieg vergessen;
so begann sie sich ab dieser Zeit immer mehr abzukapseln und zu vereinsamen.
Dies alles führte dazu, dass sie abhob und nur noch zu ihrer engste Freundin
Kontakt hatte, mit der sie in der Vergangenheit lebte und sich in Alkohol und
Tabletten flüchtete. Ihre Tochter Martina, die 1951 geboren wurde, erzog sie
liberal und liess ihr vieles durchgehen, bevor sie sie mit acht oder neun
Jahren auf ein teures Internat nach Braunsfeld schickte, da ihr die
Öffentlichen Schulen für ihre Tochter nicht gut genug erschienen. Nachdem
Irmgard Keuns psychischer Zustand lebensbedrohlich geworden war, wurde sie
1966 zur Behandlung ihrer Alkoholprobleme ins LKH Bonn eingeliefert, in dem
sie die nächsten 6 Jahre ihres Lebens verbrachte; nach ihrer Entlassung 1972
wohnte sie zuerst bei einer Freundin in Bad Godesberg, bevor sie sich ein
eigenes Apartment in Bonn suchte. Dort lebte sie allerdings in ziemlich
katastrophalen Verhältnissen ohne eigenen Besitz und von den etwa hundert
Mark, die sie monatlich vom P.E.N.-Club bekam; das Haus war verfallen und
wies teilweise noch Kriegsschäden auf, wurde vor allem von Ausländern,
armen Leuten und Kriminellen bewohnt, ihr Zimmer, direkt unter dem Dach
gelegen und sehr winkelig, war nochmals eines der Ärmsten, die Tür hing schief
in den Angeln und konnte nicht mal mehr abgeschlossen werden, es existierte
keine Heizung, und bis auf eine Matratze unter einer Überdecke auf dem
Fussboden hinter einer Stellwand und eine Holzkiste mit einem riesigem
Aschenbecher war ihr Zimmer völlig leer. Erst die Bekanntschaft mit Wilhelm
Unger aus Köln veranlasste sie dazu, Anfang 1977 in die Trajanstrasse nach
Köln zu ziehen. Ausser der Unterzeichnung einiger Appelle gegen die
Wiederbewaffnung und für den Frieden wurde es bis 1979 still um Irmgard
Keun; erst in diesem Jahr führten ihre Arbeiten für den Rundfunk wieder zu
ersten Erfolgen, die ihr in nächsten Jahren einen späten Ruhm und viel Geld,
das sie sinnlos verschleuderte, bescherten. Diese Phase des späten Erfolges
wurde 1981 durch den Befund einer Routineuntersuchung, bei der ein Tumor
(Bronchialkarzinom) festgestellt wurde, jäh beendet; von da an brauchte sie
die ständige Betreuung durch zwei Pflegerinnen, verlor erneut ihren
Lebensmut und verweigerte schliesslich vollständig die Nahrungs- und
Flüssigkeitsaufnahme, was sechs Wochen nach der Krankenhausentlassung zu
ihrem Tod führte.
Quellen: Interviews mit Martina Keun-Geburtig, Irmgard
Keuns Tochter, und mit Joachim Mehlhausen, aus: Beutel/Hagin