1940 Nov 24 „Die Gefangenen von St. Cyprien“1

Aufnahmen2 aus einem Interniertenlager in Südfrankreich

Nur ein paar resümierende, aber bezeichnende Sätze aus dem umfangreichen Bericht eines Insassen im südfranzösischen Interniertenlager St. Cyprien können wir hier zu diesen Bildern wiedergeben:

„Dicht beieinander wohnen an den Gestaden des Mittelmeeres Glück und Unglück. Da erlebt man Tage voll von dem Zauber dieser einmaligen Verbindung von südländischem Glanz und alpiner Herbheit; aber gibt es für Menschen etwas Schlimmeres als aus dem normalen Leben, aus der Arbeit heraus- gerissen zu sein und auch nicht die Möglichkeit eines Versuches zu haben, gegen diesen Strom zu schwimmen? Es ist das Schlimmste, was eine Gefangenschaft mit sich bringt: auf alles verzichten müssen, was einem seit frühester Jugend Selbst- Verständlichkeit geworden war. Dazu sind alle Imponderabilien, die so ein Lager umgeben, so gravierend, daß Sonne und azur-blaues Meer dahinter verblassen. Bedenkt man noch, daß die Internierten fast alle Familienväter sind, deren Frauen und Kinder getrennt in andern Lagern Frankreichs untergebracht sind, so scheint es begreiflich, daß der Drang nach der Freiheit mitunter zu einer Art Psychose wird. Manche, die ein Leben lang kaum einen Wunsch unerfüllt sahen, denen ein glückliches Geschick die Sorgen ums tägliche Brot ersparte, schlafen hier in karg gestreutem Stroh auf dem Sandboden einer primitiven Holzbaracke und essen aus angerosteten Blechtöpfen, die früher mit Wurstkonserven gefüllt waren. Die im Lager fehlende Lichtanlage ist notdürftig durch Kerzenbeleuchtung ersetzt, das Trinkwasser fehlt und die Gefahr der Infektions- und Magenkrankheiten bedeutet für alle Internierten eine wahre Zerreißprobe. Viele von uns, die beim ersten Antreten mit einem „présent“ antworteten, werden, wenn einst die doppelten Stacheldrahtschranken fallen, fehlen und ihre letzte Ruhestätte im Sand am Meeresstrand gefunden haben, gleich wie die Flüchtlinge aus Spanien, die hier im Frühjahr 1939 der Erschöpfung, der Ruhr, dem Typhus, der Malaria oder dem Heimweh erlegen sind.“ Spectator3

Les prisonniers de St-Cyprien

Au début des hostilités tous les étrangers qui ne purent justifier de leur présence en France, furent internés dans des camps. Nom­breux sont parmi eux les suspects, les indésirables, les agitateurs, les réfugiés chassés du IIIme Reich. Il y eut également des erreurs judiciaires, tel de nos compatriotes devait en être victime, qui relata dans les colonnes de la «Gazette de Lausanne» l’horreur d’une telle captivité. A St-Cyprien, dans le sud de la France, est situé l’un de ces camps d’internement. Les prisonniers logent dans des ba­raques de planches, qui n’ont pas de plancher. Ils couchent sur la paille disposée à même le sable humide, mangent dans des boîtes de conserve rouillées, s’éclairent à la bougie. Il n’y a pas d’eau potable dans le camp et l’état de saleté des détenus est un constant danger d’infection. Aux misères physiques s’ajoutent les misères morales, les brimades, dont les prisonniers sont l’objet et l’ignorance, où ils sont tenus du sort des leurs, de leurs femmes, de leurs enfants, internés dans d’autres camps. Quels que soient les crimes dont ils sont accusés, on ne peut s’empêcher de les plaindre.

[Die nun folgenden Bilder zeigen nicht unbedingt die katastrophalen Verhältnisse des Lagers.]

 

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Abbildung 1: Eine Zeitung ist im Lager eingetroffen ...

… ein Internierter liest seinen Kameraden daraus vor, Niedergeschlagenheit, Resignation und Verzweiflung spiegeln sich in den Gesichtern und der Haltung der Zuhörer wieder.4 [links ein Mann mit zwei Krücken]
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Abbildung 2: Morgenappell vor der Baracke.

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<Seite 1287 >
 

Abbildung 3: Freiluft-Schönheitspflege im Lager

 

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Abbildung 4: Wäschetag im Lager …

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... Um den Zisternenbrunnen und den Waschtrog vereinigen sich Männer aller Berufe zur Ausübung dieser für die meisten ungewohnten Tätigkeit.
 

Abbildung 5: Ein schwer erkrankter Internierter wird von seinen Kameraden ins Lagerspital gebracht....

… Dieses Hospital besteht aus einer Holzbaracke, die sich von den Wohnbaracken nur dadurch unterscheidet, daß sie einen Bretterfußboden besitzt.

 

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Abbildung 6: Heute ist kein fleischloser Tag...

… Das Küchenpersonal bei der Zubereitung der Fleischrationen für die Mittagsmahlzeit.

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Abbildung 7: Lagerinsassen beim Präparieren einer Mahlzeit

 

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Abbildung 8: Die Faßmannschaft bringt das Mittagessen …

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… Konservenbüchsen sind das einzige Eßgeschirr, das den Internierten zur Verfügung steht
 

Abbildung 9: Ein junger Internierter mit seiner Konservenbüchse ...

… und dem selbstgeschnitzten Eßlöffel bei der Mittagsmahlzeit. [An seinem Unterarm eine Armbanduhr]

 

1 Fundstelle: Zürcher Illustrierte, 24.11.1940, Heft 47, Seite 1286 f; https://doi.org/10.5169/seals-757755. - „In den Monaten Mai und Juni 1940 füllte [Saint-Cyprien] sich erneut, diesmal mit Deutschen und Flüchtlingen anderer Nationen, mehrheitlich jüdischer Abstammung. Nun kamen die Internierten aus Belgien, das im Westfeldzug von der deutschen Wehrmacht überrollt wurde. Sie waren von der belgischen Verwaltung festgenommen und nach Frankreich getrieben worden, wo sie von den französischen Behörden übernommen wurden und nach 18 Tagen Saint-Cyprien erreichten. Dort wurde ihr Besitz beschlagnahmt und inventarisiert. Im Archiv des Départements Pyrénées-Orientales liegen die „Listen von Saint-Cyprien“ mit 152 Seiten, die zwischen dem 4. und dem 7. Oktober 1940 durch den Lagerkommandanten Lieutenant Colonel Leclerc für den Präfekten in Perpignan erstellt wurden.“ (Wikipedia).

2 Zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung in der ZI waren Saint-Cyprien, Argelès und andere schon aufgelöst, die Gefangenen nach Gurs abtransportiert: Ein heftiges Unwetter hatte nämlich Ende Oktober die Baracken zerstört.

3 Nicht identiziert.

4 Die kürzeren Bildbeschreibungen in französisch sind hier nicht wiedergegeben.